Nachdem ich Ihren Artikel mit dem Titel "Sozialhilfe" in der aktuellen Neon gelesen hatte, habe ich mir einige Gedanken zu Ihren Aussagen gemacht. Anfangs dachte ich, was Sie schreiben wäre Quatsch. Ich dachte, mir wäre das Problem, welches Sie identifiziert haben, noch nicht wirklich begegnet. Tatsächlich sind mir dann zwei Dinge aufgefallen: Erstens, dass ich grundsätzlich sehr ordentlich bin und mich deshalb relativ selten für Unordnung entschuldigen muss. Zweitens, dass schon ewig niemand mehr bei mir war, der meine seltenen, aber durchaus vorkommenden Unordnungs-Phasen hätte sehen können. In meine sehr kleine Wohnung lässt sich schlecht Besuch einladen.
Ich wurde dann aufmerksamer. In den nächsten Tagen habe ich erst bemerkt, wie häufig sich über die eigene Unordnung beschwert wurde. Wie häufig sie ungefragt gerechtfertigt wurde. Via Facetime, wenn man die Tür reinkommt, wenn jemand in seiner Tasche kramt und nicht auf Anhieb das Taschentuch findet, nach welchem man gerade gefragt hat. Ich bin noch nicht dazu gekommen, so siehts hier nicht immer aus und was für eine Unordnung Mitbewohner XY doch hinterlassen habe - alles Phrasen, die benutzt wurden, um sich zu entschuldigen. Für was? Dafür, dass es nicht so steril ist wie im Krankenhaus?
Es ist wirklich traurig, dass jeder versucht, sich vermeintlichen Standards anzupassen. Was sind diese Standards wert,wenn sie insgeheim niemand für wichtig hält? Ich habe es noch nie als unangenehm empfunden in eine Wohnung zu gehen, die nicht komplett aufgeräumt ist - ich denke so geht es den meisten. Hygienisch sollte es natürlich schon sein, ich denke das ist klar.
Umso häufiger ich Ihren Artikel gelesen habe, umso mehr habe ich mich aufgeregt. Darüber, dass wir alle schon mal Interesse für etwas geheuchelt haben, was wir gar nicht mochten. Ich auch. Ich wollte dazu gehören. Fand die Party "cool" auch wenn ich eigentlich am liebsten rückwärts wieder aus dem Club gelaufen wäre. Einfach nicht meine Musik. Passiert.
Ich danke Ihnen für diesen Gedankenanstoß. Ich werde mich in Zukunft nicht mehr nur anpassen. Nicht in die Schweigespirale fallen, wenn ich eine andere Meinung habe als der Rest. Letztens wollten alle in den Club, den ich nicht mag. Ich habe meinen Freunden zu verstehen gegeben, dass ich nicht mag. Nachdem mir vom Alkohol schlecht war und ich mich auf dem Weg angelehnt hatte und so einen Abstand zu den anderen hatte dachten sie, ich sei heim gegangen. Am Ende saß ich orientierungslos in einer Pfütze. 6 Euro gespart. Ich vermag das nicht wirklich zu bewerten, aber am Ende habe ich das bekommen was ich wollte: Ich war nicht im Club. Es gibt ganz bestimmt schönere Arten, an sein Ziel zu kommen. Aufräumen werde ich wahrscheinlich trotzdem noch, dafür ist mein Ordnungsfimmel zu groß. Herzlichst.
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