Sonntag, 21. Februar 2016

Gaspar Noè - Irréversible

Ich bin geplättet. Ich hätte nicht erwartet, dass dieser Film mich so faszinieren würde. Eigentlich wollte ich mir bloß einen Noé ansehen, bevor ich am Dienstag in seinen neusten Film, Love, gehe. Damit ich weiß, was mich erwartet. Ich denke, ich weiß jetzt Bescheid.
"Le Temps detruit tout."
 Der Film handelt von der wunderschönen Alex (Monica Bellucci), welche gerade von ihrer Schwangerschaft erfahren hat und gemeinsam mit ihrem Freund Marcus (Vincent Cassel) und ihrem Ex-Freund Pierre (Albert Duponel) auf eine Party geht. Als Marcus sich daneben benimmt und andere Frauen umgarnt, wird Alex wütend und verlässt die Feier. Während sie durch eine Unterführung läuft trifft sie auf Le Tenia, der gerade dabei ist, Concha, eine transsexuelle Prostituierte, zu schlagen. In dem Moment in dem er Alex sieht, lässt er von Concha ab und wendet sich Alex zu. Er vergewaltigt sie brutal anal und schlägt sie bewusstlos. Als Marcus und Pierre die Feier ebenfalls verlassen sehen sie, wie Alex' blutüberströmter Körper ins Krankenhaus abtransportiert wird. Marcus und Pierre begeben sich auf die Suche nach dem Vergewaltiger. SIe sprechen dafür mit Concha, die Ihnen verrät, dass Le Tenia der Täter ist und er sich im BDSM Club The Rectum rumtreibt. Im Club attackieren sie den falschen Le Tenia, während der echte daneben steht. Der Attackierte wirft Marcus nieder und versucht, ihn zu vergewaltigen, weshalb Pierre ihn mit einem Feuerlöscher erschlägt. Pierre wird verhaftet und Marcus ins Krankenhaus gebracht.
"Your problem is you focus on your partner's pleasure.You have to let yourself go."
"Irréversible" überzeugt vor allem durch seine Authentizität. Die Drehorte scheinen sorgfältig ausgewählt zu sein, keine Szenerie des Films wirkt übermäßig künstlich oder gestellt. Das macht es dem Zuschauer leichter, sich auf den Film und den Plot einzulassen. Ich persönlich lehne überproportional animierte Filme meist ab, weil ich sie nicht nachempfinden kann, sie mir nicht das Gefühl geben, dass ich das sein könnte. Die letzte, höchst künstliche Szene, die das Universum zeigt, fungiert als eine Art Wecker und bildet einen deutlichen Kontrast zur restlichen Aufmachung des Films. Man weiß, dass der Film nun vorbei ist. Auch die Schauspieler tragen entscheidend dazu bei, dass die Geschichte einen vereinnahmt. Sie spielen ihre Rollen höchst überzeugend und emotional. Die teils willkürlich wirkende Kameraführung unterstützt die Wirkung des Films zusätzlich. Man kann sich dem Ganzen nicht entziehen. Man ist dabei.

Die Geschichte thematisiert unter anderem sexualisierte Kriminalität, Homosexuellenfeindlichkeit, Drogen, Sex, Liebe, Gewalt und Rache. Damit sind genug Spannungsfelder gegeben, um einen großartigen Film zu produzieren. Trotzdem ist die Handlung an sich simpel. Was sie so komplex macht, ist die Tatsache, dass der Film am Ende der Geschichte beginnt und am Anfang der Geschichte endet. Ich muss zugeben, ich habe etwas gebraucht, um das zu verstehen. Wenn man ohne jegliches Vorwissen diesen Film schaut, kann man davon zunächst verwirrt sein.

Der Einstieg in die Handlung ist genial gemacht. Auf einem Bett sitzt ein alter Mann, nackt, welcher einem anderen erzählt, er habe mit seiner eigenen Tochter geschlafen. Der Mann, um den es sich handelt, ist der "Butcher" aus Noés "I Stand alone". Auch Noé selbst spielt eine kleine Rolle in seinem Film, einen Besucher des Rectums. Erinnert mich persönlich ein bisschen an Tarantino, der selbst auch in seinen Filmen immer eine kleine Nebenrolle spielt und Hinweise auf einen seiner anderen Filme versteckt.

Die wahrscheinlich meist diskutierte Szene des Films ist die der Vergewaltigung. Alex wird brutal und mit einem Messer bedroht von Le Tenia auf den Boden gezerrt, entkleidet, beleidigt und anschließend anal penetriert. Auf brutalste Art und Weise. Mit fragen wie "Wirst du feucht oder ist das Blut?" schafft Le Tenia es, den Hass des Zuschauers ins Unermessliche wachsen zu lassen. Provokant und pervers. Fast zehn Minuten dauert die grausame Szene, die von Alex' grässlichen, schmerzerfüllten Schreien begleitet wird. Zum Schluss tritt er sie heftig ins Gesicht und schlägt ihren Kopf gegen den Boden, woraufhin sie ohnmächtig wird und schließlich ins Koma fällt. Es stimmt, dass in dieser Szene auf rohste Art und Weise explizite Gewalt gezeigt wird, aber  ich halte das nicht für negativ. Im Gegenteil: In unserer Gesellschaft wird viel zu häufig weggeschaut bei Gewalttaten, weshalb es durchaus sinnvoll sein kann zu zeigen, was man durch Zivilcourage eventuell verhindern kann.

Dieser Film hat mir auf jeden Fall Appetit auf "Love" und noch mehr Noé gemacht. Ich bin gespannt, was der Dienstag bringt, und ob ich nach der Vorstellung noch mehr Lust auf argentinisch-französische Filme habe.

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